Geschichte der Burg Laudenbach
Wer in Laudenbach nach den frühesten Siedlungsspuren sucht, wird auf dem Plateau des oberen Turms der Laudenbacher Burg suchen müssen. Im Volksmund wird er nur der „Dicke Ture“ genannt, obwohl er in seinen Abmessungen nicht etwa dicker ist als der zweite, noch sichtbare Turm. Die Türme der Burg waren gleichartig gebaut, aber der „Dicke Ture“ hatte doch eine besondere Bedeutung: er steht auf einer aus dem Fels gehauenen künstlich angelegten Terrasse außerhalb des eigentlichen Burggeländes. Der gesamte Bereich um den Turm ist als Bodendenkmal ausgewiesen, es besteht die Annahme, dass der „Dicke Ture“ nicht das erste Bauwerk auf diesem Plateau ist. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit muss es hier Vorgängerbauten gegeben haben, wohl aus Holz in Form eines Palisadenringes mit einer „Motte“, einem hölzernen Wehrturm in der Mitte, in die sich die Menschen bei Angriffen mit ihrer Habe und den Tieren zurückziehen konnten. Das Plateau bot hierzu ideale Voraussetzungen. Am Beginn des 12. Jahrhunderts musste diese Anlage zu klein geworden sein, es wurde eine ungleich größere steinerne Wehranlage errichtet. Das Hochplateau stand jetzt nicht mehr im Mittelpunkt der Verteidigungsanlage, der hier errichtete „Dicke Ture“ diente nur als Vorposten. Die eigentliche Burganlage mit einer Vorburg, einer besonders gesicherten Kernburg und zwei Toren verlagerte sich nun nach Osten und rückte bis an den Rand des weit ins Maintal ragenden Felssporns. Drei Steilabhänge bildeten ein natürliches, kaum überwindbares Annäherungshindernis, zwei hohe Mauerringe und insgesamt vier in einer Reihe stehende Türme bewehrt die stattliche Anlage. Die Türme sind quadratisch, die Außenwände 7 ½ Meter lang, die Mauern gleichmäßig bis oben 2 ½ Meter dick. Damit bleibt im Inneren nur ein kleiner freier Raum von 6 Quadratmetern Grundfläche. Die Höhe der drei oberen Türme kann mit ca. 10 Meter angenommen werden, lediglich der Turm der Kirche fällt etwas aus der Reihe, er ist schlanker und weniger wuchtig.
Die erste schriftliche Erwähnung von Laudenbach stammt aus dem Jahr 1133. In einer Urkunde wird erklärt, dass Heinrich von Karlburg mit Erlaubnis des Fürstbischofs Embricho von Würzburg eine Kirche in Laudenbach hat bauen lassen. Was nicht in der Urkunde steht, was sich aber an Baudetails im Kirchturm heute noch gut nachweisen lässt: es handelte sich bei dieser hochmittelalterlichen Kirche um einen massiven Wehrbau mit mehreren Schießscharten. Die Kirche war elementarer Teil der Wehrarchitektur am östlichen Rand des Bergsporns im Eingangsbereich der Burg. Mit der Erwähnung des Kirchenbaus wird indirekt auch der Bau der Laudenbacher Burg bestätigt, der Bau von Kirche und Burg fallen in die gleiche Epoche am Beginn des 12. Jahrhunderts.
Die gesamte Wehranlage war auf vier Terrassen aufgebaut, Zugänge gab es nur von Süden (vom Dorf her) und von Nordwesten (über den Rücken des Schlossbergs). Angreifer, die von Nordwesten her in die Nähe der Burg hätten kommen wollen, mussten zunächst den mit einem Halsgraben abgesicherten „Dicken Ture“ passieren. Der Weg ist schmal, der Graben nur mit großer Mühe zu überwinden und man war den Verteidigern auf dem Turm schutzlos ausgesetzt. Wer diesen Vorposten überwinden konnte und es schließlich bis zu den westlichen Burgmauern geschafft hatte, war nun mit dem mittleren Turm konfrontiert, der den gesamten Bereich der Vorburg und die westliche Schmalseite absichern konnte. Der mittlere Turm ist heute nur als Fundament im Boden sichtbar. Er war von gleicher Bauart wie der „Dicke Ture“ und der untere Turm.
Vom Dorf her kommende Besucher standen zunächst vor dem massiven, in die äußere Ringmauer eingelassenen Tor unterhalb der Kirche. Nach dem Passieren dieses äußeren Tors befand man sich keineswegs schon in der Vorburg, sondern in einem tiefer gelegenen Eingangsbereich auf dem Vorplatz der Kirche. Um in die Vorburg zu gelangen, musste man erst einen schmalen Hangweg passieren. Der gesamte untere Eingangsbereich mit dem schmalen Aufgang konnte durch zwei in der Vorburg stehende Türme hervorragend eingesehen und abgesichert werden: durch den mit Schießscharten bewehrten Kirchturm und durch den unteren Turm, der in die Ringmauer der Kernburg eingelassen ist. Erst wenn man den heute noch gut erkennbaren Hangweg überwunden hatte, befand man sich in der Vorburg auf der zweiten Terrasse. Die Vorburg bestand aus Lehensgütern, einer Reihe von Häusern und Wirtschaftsgebäuden entlang der heutigen Ägidiusstraße bis zur Kirche. In die trapezförmige Kernburg auf der dritten Terrasse mit dem Haupthaus des Amtmanns und möglichen weiteren Gebäuden gelangte man erst durch das innere Tor, dessen Existenz zwar durch schriftliche Quellen sicher belegt, dessen genauer Standort aber bis heute unbekannt ist. Der innere Bereich war durch den mittleren und den unteren Turm nach allen Richtungen gut zu verteidigen. Die Existenz eines Brunnens ist nicht bekannt, die lebensnotwendigen Wasserzisternen müssten im Bereich der Kernburg zu suchen sein.
Die Burg Laudenbach war dem Stand der hochmittelalterlichen Angriffstechnik gemäß hervorragend gesichert und konnte mit einer überschaubaren Anzahl wehrhafter Männer wirksam verteidigt werden. Die Burg bestach nicht nur durch ihre Wehrfähigkeit, sondern auch durch ihre Ausstrahlung und Präsenz im Lande.
Wer die Burg hat errichten lassen, wissen wir nicht. Dies ist umso erstaunlicher, als die Bauherren der vielen anderen Burgen im näheren und weiteren Bereich des mittleren Maintals allesamt gut bekannt sind. Man muss davon ausgehen, dass die Burg nicht gegen den Willen sondern mit Erlaubnis der Würzburger Fürstbischöfe erbaut wurde. Die Bauherren werden treue Vasallen der Bischöfe gewesen sein, die gleichen Territorialherren, die bereits für die Vorgängeranlage der heutigen Burg verantwortlich gewesen waren. Ein Umstand kann mit Sicherheit angenommen werden: das Dorf Laudenbach muss sich zu Beginn des 12. Jahrhunderts in einer wirtschaftlichen Blütezeit befunden haben. Man brauchte zum Bau einer Burg ja nicht nur eine Menge an bezahlten Fachleuten: Architekten, Maurer, Zimmerleute, Steinmetze, Seiler, Wagner, Schmiede usw. man brauchte vor allem Bauern, die mit ihrer Fronarbeit, und den unentgeltlich zu leistenden Hand- und Spanndiensten überhaupt erst die Grundlagen für den Bau einer solchen gewaltigen Anlage schufen.
Über die erste Zeit der Burg ist nichts bekannt, sie wird im Jahr 1287 erstmals schriftlich erwähnt als Heinrich Graf von Henneberg und sein Schwiegervater Graf Rudolf von Wertheim über einen Teil am Besitz der Burg Laudenbach in Streit gerieten(1).
16 Jahre später, im Jahr 1303, wird erstmals die (halbe) Burg im Besitz des Grafen Rudolf II. von Wertheim als Würzburger Lehen erwähnt und im Jahr 1317 wird sein Sohn Graf Rudolf III. von Wertheim durch den Bischof Gottfried von Hohenlohe mit der ganzen Burg Laudenbach belehnt(2). Damit sind bis zum gewaltsamen Übergang von Laudenbach an das Würzburger Hochstift im Jahr 1598 die Grafen von Wertheim die Herren über die Burg und das Dorf. Laudenbach hatte dabei eine Sonderstellung inne: zum einen gehörte der Ort zu den wirtschaftlich stärksten Ämtern im Bereich des Wertheimer Territoriums, mit der Burg Laudenbach besaßen die Wertheimer auch eine weit in das Gebiet der Würzburger Bischöfe hineinreichende nördliche Einflusssphäre, die Besitztümer und Güter in Wernfeld, Harrbach, Halsbach, Wiesenfeld, Rohrbach, Karlstadt, Steinfeld, Duttenbrunn und Billingshausen umfasste. Wertheimer Amtmänner verwalteten dieses Gebiet, forderten die jährlichen Abgaben und Zehnte, sorgten für die gräflichen Weinberge in Laudenbach und erstellten ihre jährliche Amtsrechnung. Die Gräfinnen und Grafen selbst ließen sich zwar nur selten in der Burg sehen, sie residierten vor allem in Wertheim und Remlingen, dafür sind aber große Ambitionen für die wirtschaftliche und politische Weiterentwicklung des Amtes Laudenbach erkennbar. Am 18. März 1379 ließ Graf Johann von Wertheim Laudenbach von König Wenzel zur Stadt erheben(3). Laudenbach erhielt in diesem Jahr die mit der Stadterhebung verbundenen Gelnhäuser Rechte, konnte seine Position als Stadt jedoch nicht durchsetzen. Eine zweite Maßnahme zur wirtschaftlichen Belebung und Sicherung des Ortes war die Ausübung des Judenregals mit einer aktiven Siedlungspolitik für jüdischen Familien. Jüdische Händler werden im Jahr 1426 erstmals in Laudenbach schriftlich erwähnt. Sie brachten nicht nur zusätzliche Steuereinnahmen für die gräflichen Kassen, sie sorgten auch mit ihren weitreichenden Beziehungen für eine Belebung des Handels und wirtschaftlichen Aufschwung. So konnten sowohl Güter und Waren nach Laudenbach gebracht und im Dorf verkauft, als auch im Ort produzierte Waren überregional vermarktet werden. Vor allem der hier hergestellte Wein wurde von den jüdischen Händlern über den Main als Handelsstraße in andere Regionen verkauft.
Einfluss auf die Politik und die Entwicklung hatten nicht nur die Grafen von Wertheim, sondern auch verschiedene niederadelige Vasallen der Grafen, die einzelne Höfe und Güter in der Vorburg als Lehen bekamen. Vor allem die Voite von Rieneck hatten so über lange Zeit großen politischen Einfluss auf die Geschicke des Dorfes und der Burg Laudenbach. Im Jahr 1472 etwa unterschrieb Eitel Voit von Rieneck eine Quittung über 2000 Gulden für an der Burg „innen und außen“ durchgeführte Bauarbeiten(4). Was verbaut wurde, ist leider nicht bekannt, angesichts der hohen Summe aber muss es sich um weitreichende und umfangreiche Aus- oder Umbauten gehandelt haben. Derselbe Eitel Voit von Rieneck war es auch, der im Jahr 1486 erstmals in Laudenbach ein Weistum hat aufstellen lassen. Dabei handelt es sich um überlieferte Regeln und Vereinbarungen, die bisher von Generation zu Generation mündlich weitergegeben und nun erstmals als Gesetzestext niedergeschrieben wurden. Nachfahren des Eitel Voit ließen im Jahr 1566 das Schloss am Main erbauen.
Mit dem Niedergang des wertheimer Grafenhauses Ende des 16. Jahrhunderts wurde auch das Ende der Burg Laudenbach eingeläutet. Gräfin Katharina von Eberstein und Wertheim starb am 22. August 1598, Laudenbach ging auf ihre Schwester Elisabeth über, die mit einem Freiherren von Kriechingen verheiratet war, einem treuen Vasallen des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn. Gräfin Katharina lag noch im Sterben, als Kriechingen mit einer Einheit von Hellebardieren und Musketieren in Laudenbach einfiel und die Bevölkerung mit Gewalt zur Huldigung für den Fürstbischof zwang. Das Wertheimer Amt Laudenbach wurde aufgelöst und dem Würzburger Herrschaftsgebiet einverleibt. Die Würzburger hatten an der Erhaltung der Burg Laudenbach keinerlei Interesse, Abgaben und Zehnte mussten in die Kellerei nach Karlstadt abgeliefert werden. Mit ihrer politischen Bedeutungslosigkeit begann der langsame Verfall der Burg. Im Jahr 1632 wurde die Burg Laudenbach für kurze Zeit erneut wertheimisch, als im 30-jährigen Krieg der schwedische König Gustav Adolf Laudenbach als Kriegsbeute an die Nachfahren der Wertheimer gab. Mit dem Tod von Gustav Adolf im Jahr 1634 endete aber auch diese kurze Epoche, das Dorf ging wieder in die Würzburger Herrschaft über und die Burg verfiel erneut in die Bedeutungslosigkeit, diesmal endgültig.
Anders als allenthalben behauptet, wurde die Burg Laudenbach nicht im Bauernkrieg im Jahr 1525 durch Feuer zerstört. Wie an den Amtsrechnungen und der Korrespondenz der Laudenbacher Amtmänner eindeutig bewiesen werden kann, war sie bis zum Übergang an Würzburg und darüber hinaus sogar noch in den beiden Jahren von 1632 bis 1634 in Benutzung. Nach allem was wir wissen, hatte sie ihre Wehrhaftigkeit nie unter Beweis stellen müssen: in den ca. 400 Jahren ihres Bestehens ist zu keiner Zeit von einem Angriff die Rede. Die Nachfahren derjenigen Laudenbacher, die einst die Burg aufgebaut hatten, brachen sie in der Folgezeit nun wieder ab. Die Steine wurden aus den Mauern herausgebrochen und dienten als willkommenes Baumaterial. Übrig blieben die Ruinen von zwei Türmen und Teile der Ringmauer.
(1) Staatsarchiv Wertheim G-Rep. 9 Lade XIII-XIV Nr. 69
(2) Ehmer, Hermann: Geschichte der Grafschaft Wertheim. E. Buchheim Verlag, Wertheim 1989, S. 47
(3) Ehmer, Hermann: Geschichte der Grafschaft Wertheim. E. Buchheim Verlag, Wertheim 1989, S. 58. Siehe auch: Störmer, Wilhelm: Die Gründung von Kleinstädten als Mittel herrschaftlichen Territorienaufbaus, gezeigt an fränkischen Beispielen. In Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 36 (1973), S. 563 – 585
(4) StAWt G-Rep. 57/1 Kaufbriefe Nr. 36